Review "Leserkanone.de"
"Nachdem man jahrelang das Gefühl haben konnte, dass Portugal als Schauplatz von Kriminalromanen fast völlig umschifft wurde, tauchten in den vergangenen ein, zwei Jahren eine Reihe von Büchern auf, in denen das beschauliche Land am südwestlichen Ausläufer Europas unsicher gemacht wurde. Einer der ersten Autoren, die uns in dem Zusammenhang über den Weg liefen, war Randolph Kroening. Seinen aktuellen Roman »Das Vergnügen ist ganz auf deiner Seite« haben wir etwas näher unter die Lupe genommen.
Dass sich Kroening ausgerechnet für Portugal als Schauplatz des geschriebenen Verbrechens entschied, lag auf der Hand: Vor vielen Jahren gab er seinen Job bei einer großen deutschen Unternehmensberatung auf, brach alle Zelte ab und lebt seitdem im portugiesischen Setúbal ganz in der Nähe des Atlantik. Und Lissabon, das er zum Zentrum seiner Bücher auserkor, beherbergt seinen Arbeitsplatz. »Das Vergnügen ist ganz auf deiner Seite« ist der dritte Streich seiner Romanreihe »Im Schatten des Santa Justa«. Das Buch erschien im August des vergangenen Jahres und wurde von ihm in Eigenregie publiziert. Es ist etwas mehr als 300 Seiten stark und kann entweder für 9,99 Euro auf (dem vergleichsweise schweren Amazon-) Papier erworben werden, oder aber drei Euro preiswerter als E-Book. Für Nutzer von »kindleunlimited« ist es sogar gänzlich kostenfrei.
Obgleich es sich um den fortgeschrittenen Teil einer Buchreihe handelt, muss man nicht befürchten, auf Verständnisprobleme zu stoßen, denn es wird eine abgeschlossene Storyline behandelt. Zwar stehen wiederkehrende Protagonisten im Mittelpunkt - eine Hauptkommissarin namens Carina Andreia da Cunha und ihr Team -, doch ist Vorwissen zu ihnen sowie zu den vorherigen Fällen nicht notwendig. Natürlich ist es trotzdem immer von Vorteil, in einem solchen Fall von vorne zu beginnen, um mit der ganzen Szenerie noch wärmer zu werden und sich nicht zu spoilern, und nachdem meine Kollegen mit den beiden Vorgängern sehr zufrieden waren, dürfte dies ohnehin ein Gewinn sein.
Das erwähnte Ermittlerteam hat in Kroenings neuem Buch alle Hände voll zu tun, denn es muss nicht nur an einer Ecke aktiv werden. Einerseits wird ein Mann auf einem Parkplatz tot aufgefunden - vollkommen zerschunden, nachdem er zuvor gefoltert worden war. Wenig später bekommt der Leichnam Gesellschaft, denn auf dem gleichen Parkplatz gibt es bald ein zweites Opfer. Als wäre all dies noch nicht genug, wird ein Mitglied des Ermittlerteams selbst zur Zielscheibe: Carla, die Jüngste im Bunde. Ihr passiert das, was vermutlich viel mehr jungen Damen und Mädchen zustößt, als man nur ahnen kann: Sie wird über das Internet in einem Online-Computerspiel von einem anderen Spieler gestalkt. Und es bleibt nicht bei der digitalen Ebene. Kurzum: Den Ermittlern steht eine Menge Arbeit ins Haus.
Kroenings Roman bringt alle Zutaten mit, die man sich von einem guten Kriminalroman nur wünschen kann. Thematisch ist das Buch aktuell und interessant, der Erzählstil des Autors hat einen angenehmen Drive, die Spannung ist auf einem - nicht überbordenen, aber ansprechenden - hohen Niveau und leistet sich über die gesamten 300 Seiten keinen Durchhänger, die Protagonisten wirken frisch, unverbraucht und charakterstark ... ganz so, wie man sich das eben erhofft. Die gesamte Geschichte ist von vorn bis hinten gut konstruiert und wird durch viele kurze Kapitel, von denen viele in einer Art Stakkato im Seitentakt aufeinanderfolgen und dabei oftmals zur selben Zeit spielen, immer gut auf Trab gehalten. Und wer sich vor Ort auskennt, wird vermutlich auch den ein oder anderen Wiedererkennungswert beim Lesen haben, wenngleich ich dies als Reisemuffel nicht wirklich beurteilen kann. Den Eindruck macht es aber auf jeden Fall.
Ein paar Details des Buches empfand ich als etwas skurril, etwa das regelmäßige Spiel mit Ein-Wort-Sätzen (»Wanne.«, »Handschellen.«, »Fehler.«, »Verzweiflung.«), die Einflechtung von Fotos an Kapitelenden, das gelegentliche Nutzung von wissenschaftlich anmutenden (inhaltlich aber völlig unwissenschaftlichen, sondern nur erhellenden) nummerierten Fußnoten oder das noch gelegentlichere Verwenden unterschiedlicher Schritftarten zur Abgrenzung von Chatfenstern & Co. bis hin zum Gebrauch von Fettdruck oder von einer Umrahmung zur Verbildlichung eines Papiers. »Skurril« ist dabei ganz wertfrei gemeint - es sind einfach nur ungewöhnliche individualistische Stilelemente.
Letztlich kommt es auf den Inhalt an, und da kann Randolph Kroening auf der ganzen Linie punkten. Egal ob man selbst einen Lissabon- oder Portugalbezug mitbringt oder nicht, und egal ob man die beiden Vorgängerbücher kennt oder nicht, man bekommt hier einen ansprechenden Kriminalroman geboten, der ohne jede Länge durchweg unterhält und bei dem man am Ende auf der ganzen Linie zufrieden ist, wenn man die letzte Seite zuschlägt.
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– geschrieben von Mirjam Häger (20. Februar 2018)